Veronica Kerber: Heimatgfühl

Ma sagt jo, dass d’Heimat des Lond oder die Gegend isch, wo ma gebore un ufgwachse isch oder au wo ma sich deheim fühlt, will ma schu long dort wohnt. Wenns ä Ort isch, wird ma also nigebore. Un wo des isch konn ma sich nid russuche. Die Heimat konn ma nemme wie si kummt. Ma konn au gehe, aber ma het ä Recht zu bliebe. S’bstimmt zum Glück nuch niemer wo du dich heimisch fühle musch! Wenn einer wisse will wo du herkumsch und frogt „Ja wo isch denn dei Heimat?“ musch also nid sage wo de gebore bisch. Un s’isch au ä Unterschied wer dich frogt. Wenn im Uslond einer frogt, sagsch meischdens Ditschlond, wenn dich ä Nordditscher frogt sagsch Bade un in Klommer „nei kei Schwob“, un nur wenn dich in Bade einer frogt, sagsch genau de Ort un für Spezialischte sagsch s’Dorf.  D’Heimat als Ort konn also groß un klein si.

Aber Heimat isch nid nur ä Ort. Heimat isch ä altes Gfühl. Heimat isch ä bisli verklärti heili Welt. Heimatgfühle kumme uf, wenn ma an’d Kindheit denkt, also ans reinschde Paradies. Ma denkt ans Elternhus wo alles heimelig und liebevoll war, wo ma mit de Gschwischter lachend ufgwachse isch. Ma nie ällein war. Immer s’Esse pünktlich ufm Tisch gstonde isch. Ma weiß nuch genau wie’s gut groche het, wenn d’Mama kocht het. Ma denkt an die einzelne Zimmer, wie se igrumt ware, ans Licht was durch d’Fenschder gfalle isch.  Ma denkt an Geräusche. Wie nachts d’Grille zirpt hen. Ma fühlt sogar nuch richtig wie d’schwarz Katz unterm Tisch ums Bein gschliche isch. Ma denkt an d’schön Landschaft,  d’Sunn schinnt immer wenn ma an’d Heimat denkt. Ma stellt sich widder vor, wie ma als Kind im Garte un uf de Stroß gspielt het. Stundelong. Un wie schän des war. Ma denkt an sei Jugendzit, wie ma vum Dorf ins Städtli gonge isch, in welli Kneipe ma gonge isch, sich mit Freunde rumtriebe het, wie ma nachts unterwegs war, in de Baggersee ghopst isch. Wer in wen verliebt war. Ma het sich überall uskennt. Jeder het de gliche Dialekt gschwätzt. S’war ei Sproch in de Heimat! Aber stimmt des alles? War des wirklich alles so schön? Oder hets da nid au oft gstunke, will da’s Esse viel zu scharf war und dei Schweschter dei Oschterhas klaut und gesse het? Hesch nid immer ä eigenes Zimmer welle un einfach mol dei Ruh? Wie war denn des mitm Rege? Un trotzdem hesch mitm Fahrrad vun de Schul heimfahre müsse. Un immer den blede Berg nuf mitm 3-Gong-Fahrrad.  Un wenn doch d’Heimat s’Schönste isch, warum sin denn so vielli grundlos fort gonge vun ihr? Je älter ma worre isch, desto grantiger isch ma zu sinere Heimat gwese. Si war einem nimmi onspruchsvoll gnueg! Do hets da uf einmol nimmi glongt im Garte ä Zelt us alti Stecke zu baue oder ufm Bolzplatz mit de ondre Dorfkinder rumzukicke. Ha do gibt’s jo nix! Ma konn nix kaufe, s’gibt kei Busverbindung, kei gscheidi Disko, nur drei Kneipe, nid ä mol ä Kino!  Un immer nur die glichi Gschtalte!  Wie soll ma do jemand kennelerne? Wo de no gehsch triffsch wiedder einen den de grad nid treffe willsch! Ständig isch ma sinem Ex über de Weg gloffe un sei neui het ma au nuch kennt! Ä Usbildungsstell het ma au nid kriegt, schu gar kei Schdudieplatz! Ha wo denn au? S’gibt au Mensche die welle ä bisli ä ondri Kultur als Blosmusik un Feuerwehrvereinsfeschd.  Do warsch uf einmol Ussesitter oder igebildet will nid mitgepäbert oder probeglöscht hesch. S´isch de Moment kumme do hesch nur noch fort welle vun dinere Heimat. Do het dich dei Heimat enttäuscht. Un dass ma fort isch, war wichtig.  Ma muss erscht fort, um zu lerne was Heimatgfühle sin. Ghert’s zum Heimatgfühl viellicht dezu, dass alti Gsichter siehsch, durch ä Städtli laufsch wo da alles gonz vertraut isch, wo alti Erinnerunge wieder in da nuf stiege? Egal ob gudi oder schlechti? Diner Dialekt wieder härsch? Un dich d’Sproch liebevoll umwärmt un in de Arm nimmt? Aber guck nur genau no! Isch dei Heimat überhaupt nuch die selb Heimat? Viellicht sieht des Dorf, des Städtli, gar nimmi so us wie früher. Wenn de nach viele Johre wieder zrückkehrsch, hen da so ä paar Stadtarbeiter ä Stickli Heimat klaut. Un ma kennt fascht kei Gsichter mehr. Nur in dinem Kopf isch se nuch drin. Do vergisst ma se nid.
 
Un wenn des alles jetzt aber einer nid so ghet het wie ich? So ä schäni un grusigi longi Zit an einem Ort? Einer der irgendwo nur gebore isch, nie dort glebt het un ständig unterwegs war? Sei Kindheit un Jugendzit nie long am gliche Ort war? Will de Baba zum Beispiel mit de gonz Familie sinem Beruf hinterhergezoge isch.  Oder schlimmer, will ma vertriebe worre isch? Will ma uf de Flucht war oder isch? Isch’s nid ä Gemeinheit wenn ma zu dene sagt, nur do wo de ufgwachse bisch isch dei Heimat, un wenn des nid an am gliche Ort war,  bisch heimatlos. Ich bin uf jede Fall defür, dass ma mehrere Heimate ho därf! Un dass ma endlich s’Plural iführt. Jeder soll sage dürfe, do fühl ich mich wohl und wo’s mir gut geht, do isch mei Heimat. Oder ebe wo min Herz isch, isch mei Heimat. Manchmol merkt ma au erscht wenn ma wiedder fortgeht, dass es schu ä bisli zu re neue Heimat gworre isch wo ma grad war.  Ä richtige neui Heimat konn ma glaub ich erscht finde, wenn ma beschließt, irgendwo fir de Rescht vum Lebe zu bliebe. Un wenn ma des beschlosse het, konn ma sich neui Erinnerunge schaffe, neui Gfiehle entstehe losse. Wenn dich in diner neue Heimat schu am Ortsschild ä wohligs Gfiehl heimsucht, donn heschs gschafft. Selbschtverschtändlich isch au do dei Heimat wo du deheim bisch. Oder nid? Niemer soll sich heimatlos fühle. Des vertrag ich nid. Un des Wort „Wahlheimat“ vertrag ich au nid. Ich bestimm wo mei Heimat isch un die Wahl isch geheim! Wenn jemand an minem Dialekt hert, dass ich wo onderscht gebore un ufgwachse bin, soll er nid sage „des isch aber nid ihre Heimat hier“, er konn wege mir froge wo min Dialekt herkummt. Un was isch jetzt mei Heimat? Ich hab zwei. Mei alti Heimat isch, wo sich sunndigs alli bi de Eltre treffe un ma an Feiertage so eng ufänonder hockt, dass ma bim Fleisch schniede an de nächschte  Elleboge onschtost. Do, wo nuch alles fascht genau so ussieht wie früher,  do wo jeder jommere konn, do wo i im Wald mini alti Plätzli wiedder find, do wo i am beschde glich d’Husdür hinter mir zumach dass i niemer treff.  Des isch aber au dort, wo’s mich manchmol einfach so nozieht. Un ich irgendwie erleichtert ufatem wenn i durch d’Landschaft fahr un uf einmol alles so vertraut isch. Wenn i wiedder zrückfahr du i aber au erleichtert ufatme.  Manchmol hab i sogar Migräne vun miner alte Heimat kriegt. Un hab aber au jedesmol Kraft getonkt für mei neui Heimat. I bin dankbar, dass i ä alti Heimat hab und glücklich dass i ä neui hab. Mehr Luxus bruch i nid.