Ulrike Vogel: De Freidagsplatz

Kopf leer, Wage voll! Un ich steh uffem schönste Platz im Dorf. De graue Bedonbelag glänzt regebogig vom letzte Schauer, uff de spitzgieblige Eikafswagehäuslen perle die Tropfe, grad schiebt sich die Sonn schwerfällig durch die rußige Häusermauern drumrum. Sisch Freidagnachmiddag, noch zehn Minutte bis zur absolute Wocheendentspannung. Ich muss nur noch mei Einkäufe im Audo verstaue, dann hebbeen widda mol übbastanne – den Stress. Leerbabbelt bis nunna zu de Fußzeh binne, nemm alles nur noch verschwomme wohr, zugnebelt, dicht. Mei Gedanke klammere sich an de weiße Bodemarkierunge fescht, suche die Ordnung, die Regelmäßigkeit. Un komisch – alle, die um die Zeit hier eikafe, denne geht’s grad so, mir kenne uns, schmeiße uns an Blick zu, winke, alles, bloß net schwätze, verhinnere, dass de Feierobend nach hinne verschobe werd. Mei Schlissel fallt nunna, ich bick me.

„Mensch, du, dass wir uns hier treffen, wie schön, da freut sichs so in mir drin!“ Von meim Uffhebplatz gucke verstohle nach obbe: lackierte Zehenägel, perfekt gebügelte Schlaghos, Seidetop ohne Schwitzflecke, un des um die Uhrzeit, so kenn ich niemand! Vorsichtshalba bleibe mol in dere halbgebückte Stellung hocke, abba der Schatte, der übba me gfalle isch, bewegt sich koin Meta. Dasses a Frau isch, hebbe scho ghert, schemehaft kanne ausmache, sie hat an Bubikopf, isch groß – un steht, imma noch. Ich zieh me hoch, mach abba glei mei Ärm nunna, umarme wille net a noch am Freidag. Des Schlimme isch, ich weiß gar net, dasse die kenn un woher scho zweimol net, ich kriegs nicht mehr zamme. Vom Gschäft? Über Freunde? Aus de Nachbarschaft? S' Oinzige, was mei Hirn registriert: die schwätzt viel un jetzt fangts a noch o zu niesle, ganz leicht, plötzlich ligge die Parkplätz grauschleiarig do, zwische de Fuge schiebt sich so an oidärmlige Löwezahn durch.

„Du machst dich so rar in letzter Zeit, du, das macht mich traurig, aber ich muss das akzeptieren, wenn es mir auch schwer fällt, sehr schwer, aber ich weiß, Menschen darf man nicht bedrängen, sonst entstehen da ungute psychische Schwingungen, an denen man lange zu knabbern hat…!“ Knabbern isch gut, bei jedem Wort hebbe des Gfiehl, der Mund zieht me zwische ihre Zähn un mahlt me erdnussmäßig zamme. Zwei uffananna klebte Herzobbateile, so däta ausseh, wennse den zuhätt, perfekt, sexy. Abba wennse spricht, sieht ma nur noch de Lippestift in die trockene Längstreife schlupfe un do zu Breckelen verkomme, un dass die net runnafalle hattse an Kontourestift drumrum zoge. Der isch gleichzeitig de Rahme fürs Gschwätz. Des wabert an me no, abba ich kanns nur in Fetze uffnemme. Heißt die Marion, heißt die Barbara? Mei Wurscht werd schlecht in de Tüt, des kennte jo zum Olass nemme, mich zu verabschiede. Ich kleppa mit de Audoschlissel un murmel was von verderblichem Hackfleisch. De Wage schiebe weita, mitte durch a Pfitz, dass der Platz so unebe isch, hebbe noch nie gmerkt un die Milloima quelle a übba.

Annas Mol schwätze, sei grad schlecht jetzt, ich wär a bissle im Druck un a so müd. Die stöckelt wie magisch ozoge hinnaher, schwätzt grad weita, jetzt kanne rieche, wases bei dere zu Mittag gebbe hat: Knoblauch uff jeden Fall, a Gläsle Wei, obrotene Zwibbel, des alles vermischt sich mit dem usägliche Gebabbel, irgendwas übba Mitmensche, sich eifühle, soziale Kompetenze. Des war mei Thema die ganz Woch, freidags uff meim Lieblingsplatz isch des tabu, do interessiert me nur noch a Tass Kaffee un de fertig kafte Hefezopf zum Neidunke. Kenn ich die vonare Fortbildung? Do hatse uff jeden Fall nix glernt, scho gar net Empathie. Deutlicha kamma eigentlich nimme signalisiere, dass ma gehe will, sogar gsagt hebbes. Körpasprachlich, schriftsprachlich un im Dialekt!

Dass man mal reden müsse, dringend, über die seelischen Befindlichkeiten verschiedener Leute, dann müsse man die Ergebnisse natürlich auch spiegeln, ganz zielorientiert und zeitnah, emotional müsse da natürlich der entsprechende Abstand gewährleistet sein. Spiegeln? Kamma do net mitteile sage, diesa uffgsetzte Soziosprech am letzte Arbeitsdag, kurz bevor ma die Schlampahose ozieht für zweiahalb Dag. „Du, sei ma net bös, abba mir pressierts wirklich, außadem binne so kaputt, ich kann me nimme konzentriere, swar a harte Woch, ich fühl me völlig ausglaugt. Lass uns a anners Mol spreche.“ Offensiv verschick ich jetzt mei Botschafte, bloß dasse endlich hoimkomm. Nächschtes Mol gehe zu Aldi, die henn a scheene Parkplätz, großziegiga, mit Ausweichmöglichkeite, a breite Eifahrt un uffgmolte Strich, übbahaupt, ich weiß gar nimme, was ma do so gfalle hat, zwischem Rindemulch schiebe sich die Distle durch, de Hühnamann hat widda oins obrenne lasse, de Rege werd stärka.

Das hielte sie für falsch, wenn es mir so schlecht ginge, nach Hause zu flüchten, ich müsste schon mal hinterfragen, ob ich nicht überlastet wäre, so burnoutmäßig. Ein paar Sitzungen beim Therapeuten, Yoga zur Entspannung, gesunde Ernährung, gerne würde sie mir Tipps geben, wie ich meine Probleme in den Griff bekäme. Ihre Hand mit de oklebte Finganägel streichelt ma übba de Arm, ich krieg Stellhoor. Selbst wenne se kenn, woher a imma, ob Silvia, Susanne odda Birgit, ofasse lasse me net. Ich reiß me los, stolpa mit meim Wage übba de uffgrissene Unnagrund, sisch wirklich Zeit, dass do mol saniert werd, bloß fort! Vor meim Auto bleibe steh, reiß de Koffaraum uff, lad ei. Ich dreh me nimme rum.

„Hattest du nicht einen silberfarbigen Geländewagen, so einen schicken?“ Aus de Augewinkel sehe ihre erstaunte Blick. Wozu sollt ich an Jeep ho, mei oinziges Gelände isch d'Fahrstroß, do langt mein alta Renault. „Sag mal, heißt du nicht Edelgard?“ Jetzt hat die dieselbe Probleme wie ich die ganz Zeit, nur noch schlimma. Ich lad weita ei, dere helf ich net. D'Sonn lugt a bissle raus un wärmt mei Fußzehe, wirklich gschmackvoll hennse de Eigang gestaltet, fallt ma uff. Noch oimol machtse ihren Fischmund uff un zu, stammelt was von Verwechslung, Coaching, Autos, siezt me, würd hier nie einkaufen, hätte sich noch gewundert…weg isch se!

Liebevoll dricke mein Koffaraumdeckel zu, fertig! Drübbe winkt d'Ute, ich wink zrick, wie dicht des Efeu jetzt schon wuchat, total romantisch. A ganze Farbpalette Frühlingsblume steht unnam Vordach, ich werf mein Eikafszettel in de Oima un drick den Mill a bissle zamme, dasses ordentlicha aussieht, die henn jo a viel zu du. Wie imma hopft ma de Euro ausem Schnappschloss un rollt übba de Bedon – Feierobendmusik! Nur beim Bicke beeile me ganz arg, wer weiß, wer vorbeikommt an meim Freidagsplatz?